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Reform der Altersvorsorge: So gehts endlich vorwärts

Bei der Reform der AHV geht seit 2004 gar nichts mehr, obschon der Reformbedarf täglich grösser wird. Isolierte Diskussionen über eine Erhöhung des Rentenalters sind aber nicht zielführend. Wir brauchen endlich eine ehrliche und offene Diskussion über den Verlauf des Erwerbs- und Ruhestandslebens. Welche Fragen es dabei zu beantworten gibt, schreibe ich in der aktuellen BaZ-Kolumne "Balz&Pfeffer".

Hurra, wir werden immer älter!

Süss sehen sie aus, die jüngsten Baselbieterinnen und Baselbieter, tagesaktuell zu bestaunen auf der Website des Kantonsspitals. Ihnen allen wünschen wir ein erfülltes, gesundes und langes Leben. Zumindest in Bezug auf Letzteres gibt es gute Nachrichten vom Bundesamt für Statistik: Jedes vierte neugeborene Mädchen darf sich nämlich darauf freuen, später einmal 100 Geburtstagskerzen auszublasen. Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass diese Chance vor 100 Jahren noch verschwindend klein war.  

Ja, wir werden immer älter, das ist erfreulich. Allerdings sollten wir auf dem Weg in die 100-Jahre-Gesellschaft noch ein paar Probleme lösen. Bei der Altersvorsorge zum Beispiel. Auch hier haben sich die Verhältnisse über die Jahre ziemlich verschoben. Wer heute pensioniert wird, darf sich auf 24 Jahre im Ruhestand freuen -  doppelt so viel wie 1948 bei der Einführung der AHV.

Auch beim Kindersegen hat sich im Laufe der Jahre einiges bewegt. 1948 lag die Geburtenquote noch bei 2.5 Kindern pro Frau. Heute sind es noch 1.5. Das wiederum lies die Altersstruktur unserer Gesellschaft von einer Pyramide zu einer Birne mutieren – mit entsprechenden Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Seit diesem Jahr werden erstmals mehr Menschen pensioniert, als Junge in den Arbeitsmarkt eintreten. Und in den nächsten zehn Jahren verabschiedet sich rund eine Million Babyboomer in die Pension, während nur gerade 500'000 Junge nachkommen.

Nun muss man kein Versicherungsmathematiker sein, um zu erahnen, dass diese Entwicklungen das System der umlagefinanzierten AHV ins Wanken bringen. 1948 ging man davon aus, dass 6.5 Arbeitstätige für einen Rentenbezüger aufkommen. Heute sind es halb so viele. Das kann finanziell niemals aufgehen. Schon heute beträgt das jährliche Umlagedefizit der AHV rund eine Milliarde.  Bis 2030 wird sich dieser Fehlbetrag auf 45 Milliarden kumulieren. Zu diesem Zeitpunkt ist dann auch der AHV-Fonds endgültig pleite.

Höchste Zeit also zum Denken und Handeln. Die Sanierung der Altersvorsorge ist eine der grössten Herausforderungen der kommenden Legislatur im nationalen Parlament. Der seit 2004 anhaltende Reformstau bei der AHV muss endlich angegangen werden. Und zwar nicht mit einer weiteren Diskussion über die Erhöhung des Rentenalters, die ohnehin in die politische Sackgasse führen wird. Sondern mit einem ehrlichen und offenen Dialog über grundlegende Fragen zum Verlauf unseres Erwerblebens.

Erstens ist zu fragen, wie lange wir überhaupt arbeiten können, rein physisch. Die immer unterschiedlicheren Erwerbsbiografien erfordern eine differenzierte Betrachtung. Wer mit 16 eine Lehre als Bodenleger macht und auf dem Beruf bleibt, wird sich um die sechzig in einer anderen körperlichen Verfassung sehen als ein sogenannter Wissensarbeiter, der gegen 30 sein Studium abschliesst und sich dann langsam an die Arbeit herantastet.

Zweitens fragt sich, wie lange wir arbeiten wollen. Dies wiederum hängt entscheidend davon ab, ob in der Wirtschaft die Arbeitsmodelle für ältere Mitarbeitende vorhanden sind. Ein möglichst langer Verbleib im Arbeitsleben ist nämlich nur möglich, wenn neue Karrieremodelle wie zum Beispiel Altersteilzeit oder Bogenkarrieren eingeführt und von den Mitarbeitenden akzeptiert werden.

Und drittens ist zu klären, wie lange wir arbeiten müssen, damit die Anzahl Erwerbsjahre in einem sinnvollen und finanzierbaren Verhältnis zu den Ruhestandsjahren stehen. Die Frage lautet also nicht: Wann soll die Guillotine des abrupten Altersrücktritts fallen, sondern: Wieviel Freizeit gönnen und leisten wir uns nach dem Erwerbsleben? Darüber brauchen wir eine Einigkeit, um diesen Wert dann an die Lebenserwartung zu koppeln. Steigt diese weiter an, verlängern sich die Arbeits- und die Ruhestandsphase proportional. Damit wären die Diskussionen über das statische Rentenalter ein für allemal erledigt. 

Wenn wir also bei der Altersvorsorge endlich einen entscheidenden Schritt vorwärtskommen wollen, dann brauchen wir einen flexiblen und individuellen Altersrücktritt, eine auf ältere Mitarbeitende ausgerichtete Arbeitswelt und ein an die Lebenserwartung gekoppeltes Referenzalter für den Rentenbezug.

Auf keinen Fall dürfen wir uns der Versuchung hingeben, mit einer hilflosen Pseudoreform einfach mehr Geld ins System zu pumpen, wie dies Bundesrat Berset derzeit mit seiner Stabilisierungsvorlage plant. Dies würde nämlich den Generationenvertrag weiter belasten und diejenigen am meisten treffen, die am längsten bezahlen: Zum Beispiel die Buben und Mädchen auf der Geburtsabteilung in Liestal.

(zuerst erschienen in der Basler Zeitung, 7.10.2019)

 

 

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